Fehler managen – Teil 4: Energie-Management

Eine Sicherheitskultur, in der das Lernpotenzial des Fehlers breit anerkannt ist, kann nicht gelebt werden, wenn es den Führungskräften nicht gelingt, sich selbst zu führen. Die persönliche Reaktion auf bekannt gewordene Fehler ist der Schlüssel zum Erfolg. Doch wie soll das gelingen, wen man selbst im Stress ist?

Wenn wir uns als Führungskräfte vorgenommen haben, eine Kultur im Unternehmen zu leben, die den Fehler als Lernchance nutzt, so stellt dieses Commitment vorerst einmal eine nicht zu unterschätzende Anforderung an uns selbst. Wir müssen uns die Frage widmen, wie wir auf Fehler reagieren, wenn unsere Batterien leer sind.

Vielleicht haben Sie Folgendes bei sich selbst schon bemerkt. Immer wenn Sie gereizt oder etwas dünnhäutig unterwegs sind, zeigen Sie ein spezifisches Verhaltensmuster. Auslöser dazu kann ein Fehler sein, der jemand anders gemacht hat und der Sie unangenehm tangiert? Natürlich liegt es mir fern, Ihnen als Leserinnen oder Leser dieses Blogartikels eine generelle Gereiztheit zu unterstellen. Andererseits weiss jeder und jede, die reflektiv mit sich selbst unterwegs ist, dass das Leben und insbesondere die Arbeit als Führungskraft genügend Situationen und Konstellationen bereithält, die unser mentales Abwehrsystem herausfordern können. Solche Situationen können auch Fehler sein, die im eigenen Verantwortungsbereich passieren. Sie sind klassische Stressoren, die gemanagt werden wollen.

Einer, der sich mit solch fordernden Momenten beschäftigt hat, ist Taibi Kahler. Ein amerikanischer Psychologe, der die Verhaltensweisen von Menschen untersucht hat, die in einem nicht ausgeglichenen Zustand sind; wenn sie im Stress sind. Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse hat er in ein Modell (Process Communication Model) übertragen, welches uns ermöglicht, die Fähigkeiten zu erwerben, wie wir mit solchen Situationen klarkommen können. Kahler weist nach, dass unausgeglichene Zustände, vor allem, wenn sie lange andauern, in einer mangelnden Befriedigung von psychischen Bedürfnissen begründet sind. Damit sind u. a. Dinge gemeint, wie die Anerkennung einer erbrachten Leistung, die Anerkennung unserer Meinung und damit das Gutheissen unserer persönlichen Werte oder die bedingungslose Anerkennung als Mensch, so wie wir sind. Darunter fallen auch die Sehnsucht nach Action und der Wunsch nach Ruhe mit dem Bedürfnis allein sein zu können. Und andere mehr. Es versteht sich von selbst, dass wir viele davon in einem gewissen Mass benötigen, um ein ausgeglichenes Leben führen zu können. Kahlers Arbeit weist aber auf eine klare Bedürfnis-Hierarchie in jedem und in jeder von uns hin. Demnach sind nicht alle Bedürfnisse gleich wichtig für uns. Noch spannender an Kahlers Forschungsarbeiten ist sein wissenschaftlicher Nachweis, dass unsere Reaktionen im unausgeglichenen psychischen Zustand immer auf die selbe Art und Weise und damit vorhersehbar ablaufen. Und dass sie mit der mangelnden Stillung eines für uns wichtigen psychischen Bedürfnisses korrelieren. Er hat damit nachgewiesen, warum wir im Stress ein immer gleiches Verhaltensmuster zeigen.

Was geschieht mit uns, wenn wir unsere psychischen Bedürfnisse nicht befriedigt bekommen?

Nun, wir werden dysfunktional, erleben negative Emotionen und es fällt uns schwer, die Dinge rational zu sehen. Wir büssen Kooperationsfähigkeit ein. Unsere Reaktionen sind in solchen Situationen stets mit einer Abwertung einer Person verbunden - entweder des anderen oder von uns selbst. Die Herabsetzung des anderen ist in einer gelebten Fehlerkultur von besonderer Bedeutung. Es lohnt sich daher, diese etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Fest steht: Sie unterminiert das gegenseitige Vertrauen, weil wir die Erwartungen, die wir an andere haben, emotional und damit inadäquat kundtun. In diesen Ansprüchen an den anderen ist stets in unterschiedlicher Form und Ausprägung die Schuldzuweisung miteingewoben. Achten Sie sich, was Ihnen in solchen Situationen widerfährt! Sie haben eine Neigung in einer der unten beschriebenen Art und Weise zu reagieren. Das sind die Optionen in ihrer überdeutlichen Ausprägung:

  • Ihre Reaktion erfolgt von oben herab in Form eines Angriffs. Dieser ist eingepackt in Ihre Vorstellung, dass der andere zu dumm ist, um die Sache richtig zu machen. «Wie blöd muss man denn sein, um einen solchen Fehler zu machen?!»
  • Ihre abwertende Reaktion erfolgt von oben herab, ebenfalls in Form eines Angriffs. Diesmal jedoch argumentieren Sie anders. Sie erleben sich rechthaberisch und pochen darauf, dass eine seriöse und ernsthafte Erledigung des Jobs nun einmal eine grosse Bedeutung im Unternehmen hat. «Würdest du dir bei der Arbeit bitte die gebotene Mühe geben! Das werde ich wohl noch erwarten dürfen!
  • Ihre Reaktion ist eine kühle und tendenziell distanzierte Schuldzuweisung, die den anderen schmerzen soll. «Toller Mist, den du da gebaut hast. Tja, Fehlermachen hat stets unangenehme Konsequenzen. Damit musst du selbst klarkommen!»
  • Ihre Reaktion ist eine abgrenzende Schuldzuweisung bei er es darum geht, dass Sie sich schadlos halten können. «Wenn du Fehler machst, so ist das allein dein Problem. Mit mir hat das rein gar nichts zu tun.»

Es kann aber auch sein, das Sie in Situationen, in denen Sie als Führungskraft mit Fehlern von Ihren Mitarbeitenden konfrontiert werden, Erwartungen an sich selbst haben. Dann nämlich, wenn Fehler der anderen dazu führen, dass sie Sie verunsichern und Sie aus Ihrer Komfortzone in die Opferrolle drängen. «Er tut mir so leid! Was habe ich bloss falsch gemacht, dass meine Mitarbeiterin in diese schwierige Situation gekommen ist?» Diese Reaktion unterminiert die Beziehung zum andern nicht auf die gleiche Art wie die vier oben beschriebenen. Wir können sie daher in dieser Betrachtung beiseitelassen. Trotzdem ist sie für die Führungskraft, die dazu neigt, so zu reagieren, eine Herausforderung, mit der sie sich sinnvollerweise, auseinandersetzt.

Was das für den Umgang mit dem Fehler bedeutet.

Jede Form der Abwertung des anderen torpediert eine lebendige, auf Vertrauen basierte Sicherheitskultur. Dies insbesondere dann, wenn es Führungskräfte tun. Warum sollte ich zu meinem Chef oder meiner Chefin gehen, um zu hören, dass ich nicht okay sein, dass sie sich abgrenzen oder mir keine Unterstützung zusagen? Würde ich da von den Schwierigkeiten bei der Arbeit erzählen oder von eigenen Missgeschicken, die mir zugestossen sind? Was nützen die hehren Vorsätze, den Fehler positiv nutzen zu wollen im Leitbild der Firma, wenn im Alltag Führungskräfte mit leeren Batterien nicht in der Lage sind, das dafür notwendige Vertrauensverhältnis aufrecht zu erhalten. Sicherheitskultur wird nicht mit Appellen und schönen Absichten gemacht. Sie wird von Führungskräften getragen, die nicht nur wissen, warum sie den Fehler enttabuisieren und nutzen müssen. Sondern von Vorgesetzten, die auch in der Lage sind, sich selbst zu führen. So, dass sie über die notwendige Energie verfügen, um nicht beim kleinsten Windstoss aus einer wertschätzenden Position, dem anderen gegenüber, herauszufallen.

Selbstkontrolle und Energiemanagement

Achten Sie darauf, dass Ihre Batterien immer geladen sind. Gehen Sie aktiv der Frage nach, welche psychischen Bedürfnisse für Sie persönlich wichtig sind und kümmern Sie sich als Führungskraft darum, diese gestillt zu bekommen. Das Process Communication Model hält ein individuelles Profil für Sie bereit, das Ihnen zeigt, welche Stromladestellen Sie für die Befriedigung Ihrer psychischen Bedürfnisse anlaufen sollten. Damit sorgen Sie für Ihr persönliches Bollwerk gegen unliebsame Abstürze aus der Ich-OK-Du-OK-Position. Denn wenn Sie die Augenhöhe zum anderen nicht mehr halten können und Sie sich dabei erleben, wie sie andere gering schätzen oder mit Schuldzuweisungen eindecken, sind das alarmierende Signale. Sie verheissen nichts Gutes für die gelebte Sicherheitskultur im Unternehmen. Fragen sie sich selbst, welches Umfeld Sie benötigen, um aus Ihren Fehlern lernen zu können. Angst? Geringschätzung? Schuldgefühle? Eine emotionale oder eine sachliche Auseinandersetzung?

Das Process Communication Model (PCM) kann Ihnen präzise sagen, was für Sie wichtig ist, um so lange wie möglich auf der wertschätzenden Augenhöhe mit den anderen verbleiben zu können. Und es präsentiert Ihnen Ihre persönlichen Frühwarnzeichen, die Ihnen signalisieren, dass Stress im Anzug ist.

Wenn Sie Lust haben, nehmen Sie Kontakt mit mir auf.