Sicherheitsmanagement ist Beziehungsmanagement

Wenn es darum geht, die Risiken des Unternehmens unter organisatorischer Kontrolle zu behalten, dann sticht einem vorab das Sicherheitsmanagement in die Augen. Was oftmals nicht berücksichtigt wird, ist das Standing der Sicherheitsexperten in der Firma und damit ihre Beziehung zu den Risk Ownern. Wie bedeutungsvoll diese sein kann, veranschaulicht dieser Blogartikel.

Sicherheit entsteht nur durch konkret umgesetzte Massnahmen. Heere Vorsätze und gute Absichten genügen nicht. Nun hat aber jede Sicherheitsmassnahme ihren Preis. Entweder in Form von direktem Cash-out oder in Form von Verlangsamungen von Leistungsprozessen im Unternehmen. Immer wird durch sie die Performance der Firma auf irgendeiner Art beeinträchtigt. Die verantwortlichen Führungskräfte, die Risk Owner, müssen daher bei der Bewilligung von Sicherheitsmassnahmen stets eine schwierige Abwägung zwischen einem abstrakten 'Vorteil', geringeres Schadenspotenzial und oder tiefere Eintretenswahrscheinlichkeit und dem konkret sichtbaren ‘Nachteil’, den solche Massnahmen verursachen, vornehmen. Es handelt sich um eine Beurteilung von zwei sehr unterschiedlich gestalteten und damit schwer vergleichbaren Gütern. Die Entscheidungsträger wissen zwar, dass die Massnahmen ihren Dienst tun werden, von ihrer konkreten Wirkung hingegen müssen sie sich ein persönliches Bild machen. Das werden sie sich auch nicht nehmen lassen. Trotz allen Beteuerungen zur Wirksamkeit dieser Massnahmen durch die Sicherheitsexperten.

Wer garantiert die beste Beratung?

Die verantwortlichen Führungskräfte sind mit dem Risiko konfrontiert, mit der Bewilligung für die Umsetzung von Sicherheitsmassnahmen etwas zu tun, dass sich im Nachhinein als unnötig erweisen könnte. Nehmen wir folgendes Beispiel. Ein Familienvater fragt sich, ob es sich für den etwas in die Jahre gekommen Wagen noch lohnt, eine Vollkaskoversicherung abzuschliessen. Bei dieser Frage orientiert er sich wahrscheinlich an der Einschätzung, ob ein Totalausfall des Fahrzeugs für die Familie finanziell tragbar ist oder nicht. Nun aber die entscheidende Frage: Mit wem diskutiert er diese Abwägung? Mit dem Versicherungsagenten? Mit Arbeitskolleginnen und Kollegen oder mit seiner langjährigen Partnerin und Mutter ihrer beiden Kinder?

Der Versicherungsagent ist ein schlechter Ratgeber. Er hat den Mangel, dass er vom Abschluss der Versicherung persönlich profitiert. Die Arbeitskolleginnen haben den Mangel, dass sie nicht wirklich beurteilen können, ob er den Totalausfall des Wagens finanziell verkraften kann. Auf jeden Fall hat ein solcher keinerlei Einfluss auf deren Lebensumstände. Bleibt seine Gattin. Sie hat als gemeinsam mit ihm die Familie 'bestreitend' dieselbe Optik auf das Problem. Sie weiss, was ein Totalausfall des Wagens für konkrete Auswirkungen auf die Familie hätte. Wenn sie bereit ist, auf das Risiko einer Teilkaskoversicherung einzugehen, wird sie in einem Vollkasko-Schadenfall die Last mittragen. Und so versteht sie auch, dass mit dem erneuten Abschluss der Vollkaskoversicherung, die finanziellen Möglichkeiten der Familie nicht plötzlich wie Bäume in die Höhe wachsen. Wie immer die Entscheidung ausfällt, in einer guten Beziehung ist geteiltes Leid nur halbes Leid.

Respekt und Anerkennung für das Gegenüber

Und so verhält es sich auch im Unternehmen, wenn die Sicherheitsexperten mit den Risk Ownern kommunizieren. Wie immer in der Kommunikation gelingt ein zielführender Austausch nur, wenn sich die beiden auf Augenhöhe begegnen. Wenn sie sich gegenseitig weder als Menschen noch mit der Inanspruchnahme einer überlegenen Argumentation in der Sache abwerten. Erst wenn die Beziehung untereinander von Respekt für das Gegenüber als Mensch und als Manager geprägt ist, entsteht ein Dialog, der geeignet ist, die schwierige Abwägung der zwei so unterschiedlichen Güter zum Wohle des Unternehmens vornehmen zu können. Gute Ratgeber verstehen das Problem der Risk Owner. Sie lassen sich auf die schwierige Beurteilung der so schwer vergleichbaren Güter ein. Sie anerkennen die nachteiligen Auswirkungen von Sicherheitsmassnahmen auf das Geschäft im gleichen Masse, wie sie ihr Anliegen nach ebensolchen vortragen. Sie lassen dem linienseitigen Verantwortungsträger Raum für die Abwägung und drängen nicht wie auf einem Basar der Ansichten darauf, dass ihr Perspektive die richtige ist. Und sie sind weder enttäuscht noch gekränkt, wenn Ihren Vorstössen nicht Folge geleistet wird. Sie verstehen, dass der Risk Owner in einem solchen Fall nichts anderes gemacht hat, als die Verantwortung für das Risiko zu übernehmen. Mit anderen Worten achten sie darauf, in jeder Situation Vertrauen aufzubauen. Effektive Kommunikation findet nur dann statt, wenn gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung vorhanden sind. Man hört einzig jenen Menschen zu, denen man vertraut.

Eine steile Hypothese

Ich stelle die Hypothese in den Raum, dass eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Risk Owner und Sicherheitsexperte die Risikoexposition des Unternehmens besser zu reduzieren vermag und damit bedeutungsvoller für die Sicherheit der Firma ist als jede noch so hoch dotierte und professionell aufgestellte Sicherheitsabteilung, deren Vorgesetzte nicht gehört werden, weil das Vertrauen seitens Verantwortungsträger in der Linie fehlt.

Was gilt es zu tun?

Wenn sie sich als Safety-, Security- Compliance- oder Riskmanager damit beschäftigen, was sie tun können, um Vertrauen in die Verantwortungsträger aufzubauen, dann können ihnen die folgenden Fragen Gedankenanstösse geben.

  • Haben sie und der oder die Verantwortungsträger in der Linie ein 'shared mental model' davon, wie der Erfolg des Unternehmens zustande kommt?
  • Verstehen sie die Problemstellung des Risk Owners?
  • Neigen sie dazu die Notwendigkeit von Sicherheitsmassnahmen als dringliches Problem darzustellen, sodass sich der Risk Owner gedrängt fühlt?
  • Knüpfen sie ihren persönlichen Erfolg an die Anzahl der bewilligten und umgesetzten Sicherheitsmassnahmen, an die Höhe ihres Budgets, an die Zahl der ihnen zugeteilten Mitarbeitenden? Oder knüpfen sie ihren Erfolg an den Erfolg des Unternehmens?
  • Fällt es ihnen manchmal schwer, die Argumente für ihre vorgeschlagenen Sicherheitsmassnahmen rein sachlich zu präsentieren?
  • Können sie als Sicherheitsexperte im Unternehmen gut mit einem Entscheid des Risk Owners leben, ein Risiko, welches sie mit Massnahmen mittigeren wollten, zu akzeptieren? Oder frustriert es sie, wenn Sicherheitsmassnahmen nicht bewilligt werden? Falls es ihnen schwer fällt, gelingt es ihnen damit so umzugehen, dass es die Beziehung zum Risk Owner nicht tangiert? Was ist der Grund eines möglichen Frusts?
  • Weil sie nicht Recht bekommen haben?
  • Weil sie die Ablehnung als eine Niederlage sehen?
  • Weil es ihnen unangenehm ist, die Botschaft ihrer Mannschaft zu überbringen?
  • Weil sie es nicht verstehen und die Arbeit so keinen Spass macht?
  • Oder weil ihnen in solchen Situationen immer der Gedanke kommt, dass die Risk Owner schon sehen werden, wie die Risiken eintreten und ihren Schaden anrichten werden. Sollen sie selbst damit fertig werden!

Wenn sie mehr über ihre übrigens vorhersehbare Reaktion erfahren möchten, gibt es dafür ein bewährtes Erklärungsmodel:

 https://www.martin-wyler.ch/fileadmin/user_upload/dokumente/MW-Factsheets-PCM.pdf

Dieses Modell ist sehr hilfreich, wenn es darum geht, Misskommunikation zu vermeiden und Beziehungen, die in Schieflage zu geraten drohen, wieder zu stabilisieren.

Die Auseinandersetzung mit jeder dieser Fragen kann ihnen Hinweise geben, wo und wie sie an ihrem Standing im Unternehmen arbeiten können, so dass sie zum vertrauten Ratgeber der Entscheidungsträger in der Linie werden können. Dass sie eine Position halten können, in der sie respektiert und gehört werden. Sollte meine Hypothese zutreffen, so wäre dies ein wichtiger Schlüssel für eine wirkungsvolle Reduktion der Risikoexposition des Unternehmens.