Im Oktober 2018 und März 2019 sind bei Abstürzen von zwei Boeing 737 MAX 346 Flugzeugen Menschen ums Leben gekommen. Worauf die Luftfahrtbehörden der ganzen Welt, der 737 MAX ein Flugverbot verordnet haben. Die Maschinen stehen noch heute am Boden und warten auf eine erneute Zulassung. Die Fachwelt reibt sich immer noch die Augen, wie es möglich war, dass der renommierte Flugzeugbauer so unprofessionell ans Werk ging.
Das Amerikanische Luftamt (FAA) hat aufgrund dieser Ereignisse im Juni 2020 dem US-Senat einen Gesetzesentwurf unterbreitet, welcher die Flugzeughersteller verpflichten soll, ein Safety Management System (SMS) zu führen. Damit beabsichtigt die Federal Aviation Authority (FAA), die eklatantesten Mängel der Zertifizierungsprozesse zu beheben, die im Rahmen der Boeing 737 MAX Zulassung zu Tage getreten sind.
Gravierende Mängel und schlechte Entscheidungen
Die Unfalluntersuchungen haben gezeigt, dass die FAA bei der Zertifikation der Maschine die technischen Zusammenhänge rund um das Flugsteuerungssystem der 737 MAX nicht verstanden hat. Boeing hatte ein für Fachleute irritierendes Design vorgelegt. Das Steuerungssystem war für die beiden Unfälle ein Schlüsselfaktor. Auch hat die Aufsichtsbehörde nicht erkannt, dass Boeing beim Aufsetzen der Betriebsvorschriften mangelnde Anweisungen festgehalten hat, wie Piloten in Notsituationen reagieren sollten. Diese Anweisungen wurden nicht in genügendem Masse von Human Factor Spezialisten überprüft. Und last but not least traf Boeing fragwürdige Entscheidungen, was das geforderte Schulungskonzept für die Piloten anbelangte. Die Firma priorisierte die Kosten zu Lasten eines adäquaten Trainings der Crews. Auch das akzeptierte die FAA.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass die International Civil Aviation Organization (ICAO) seit 2013 in ihren Standards auch von Flugzeugherstellern im das Führen eines Safety Management System (SMS) verlangt. Bei den Airlines ist das SMS seit Jahren eine Selbstverständlichkeit.
Warum ein Safety Management System so wichtig ist
Safety Management Systeme ermöglichen proaktives Sicherheitsmanagement. Die Risiken werden durch sie erkannt, bevor diese Probleme verursachen. SMS werden von Abteilungen betrieben, die von Linienstellen unabhängig sind, um nicht finanziellem oder Management-Druck ausgesetzt zu sein.
Obwohl in einem SMS komplexe Prozesse beherrscht werden müssen, ist seine Struktur überschaubar einfach. In einer Policy verpflichtet sich das oberste Management zur Sicherheit. Im Riskmanagement werden die Risiken erfasst und in der Risk Assurance wird dafür gesorgt, dass sie auch tatsächlich aktiv gemanagt werden. Mit einem speziellen Förderungsprogramm werden die Mitarbeitenden über Sicherheitsaspekte informiert und ausgebildet. Dieses Programm schafft zusammen mit der Policy den Rahmen, der dafür sorgt, dass sich die ganze Organisation kulturell einbringen und dass eine auf Vertrauen basierte «Just Culture» gelebt werden kann. Eine Kultur, die den Fehler als Lernchance versteht und in der offen über diese gesprochen wird. Denn alle Beteiligten sind sich darin einig, dass Fehler wichtige Hinweise eines komplexen Systems sind, das nicht so funktioniert, wie es eigentlich sollte. Es ist eine Kultur, in welcher es die Mitarbeitenden und die Führungskräfte gemeinsam schaffen, das System kontinuierlich zu verbessern. Damit sorgen sie dafür, dass die Organisation nicht unverhofft mit Systemversagen konfrontiert wird, obwohl jeder alles richtig gemacht hat. Ein Faktum, welches leider mit komplexen Systemen inhärent einhergeht.
Fazit
Boeing hat durch die beiden schweren Unfälle einen massiven Reputationsschaden erlitten, der die Firma auch finanziell in grosse Nöte gebracht hat. Der Flugzeughersteller muss sich wohl zu Recht die Frage gefallen lassen, warum er nicht früher auf ein Safety Management System gesetzt hat. Denn dieses ist für eine «High Reliability Organisation» heute unverzichtbar geworden. Wer sicher sein will und wer der Zuverlässigkeit verpflichtet ist oder sich ihr verpflichtet fühlt, wer kritische Infrastruktur betreibt oder systemrelevante Leistungen anbietet, kommt heute nicht mehr ohne ein solches System aus.